Montag, 1. Oktober 2012

Fahrt im Regen

Morgends um drei weckt uns der Regen zum ersten Mal. Ich liege einen Moment da ohne zu wissen was mich geweckt hat, bevor ich die Bewegungen um mich herum und das Wasser, das mir ins Gesicht tropft realisiere. Ich kriche aus dem Schlafsack, knöpfe schnell mein Hemd zu und ziehe die Schuhe über. Ich sehe, dass die anderen sich unter der großen Kiefer versammelt, unter der wir gestern gekocht haben, versammeln und gehe schnell hinüber, wo es noch ein wenig trocken ist. Einer der anderen hat aus der Glut wieder ein kleines Feuer entfacht, um das wir uns alle zusammenkauern. Nach einer halben Stunde hört es wieder auf zu regnen. Wir breiten nochmal die Ponchos aus und verkriechen uns in die Schlafsäcke. Um vier weckt uns der Regen erneut. Diesmal bleibt er und hört nicht wieder auf. Wir müssen zusammenpacken. Meine Schuhe sind schon seit Tagen zerschlissen und das Wasser, dass den Weg hinunterfließt läuft hinein und durchweicht meine Socken. Meine Füße frieren und schon nach Minuten ist mein Parka völlig durchweicht und nurnoch nasser, kalter Ballast. Ich hänge ihn an meinen Rucksack. Immer höher führt uns der Weg und als der Himmel sich im ersten Tageslicht von schwarz zu dunkelgrau wandelt. Blitzte und Donner setzen ein. Wir laufen jetzt mitten in den Wolken und um uns sind die Blitze. Wir können kaum zwei Meter weit sehen. Ich muss meine Brille absetzen, ich sehe nichts mehr durch die beschlagenen Gläser.
Ich weiß nicht wie lange wir so im Zwielicht dahin trotten, während um uns der Donner schallt und die Blitze zucken, doch es scheint eine Ewigkeit zu vergehen. Alle in einer Reihe, alle nass, allen ist kalt. Immer den Pfosten folgen, die den Weg markieren, immer nur den Pfad hinauf. Mal laufen alle dicht beisammen, mal soweit gestreut, dass man in den Regenschleiern kaum noch den Fordermann sieht.
Irgendwann haben wir den Bergkamm erreicht. Ich weiß nicht wie viel Uhr es ist, es ist mir aber auch gleich. Nur Hunger habe ich. Seit gestern abend haben wir nichts mehr gegessen und das, was wir mit uns haben ist wenig, der Grund weshalb wir heute überhaupt laufen. Wir müssen heute von diesem Gebirgszug runter und in ein Dorf, sonst haben wir für heute und morgen nur zwei scheiben Brot für jeden.
Wir machen keine Pause es ist zu kalt und nass. Wir trotten einfach weiter, ich bin bis auf die Haut durchnässt. Und dann reißt auch noch die Hose, ein breiter Riss im Leder von vorn bis hinten. Ich musste die vergabgenen Tage schon ein paar Mal die Nähte mit Nadel und Faden ausbessern, aber diemal ist es das Leder. Von vorn bis hinten. Ich ziehe die Hise aus und Schnalle sie an den Rucksack, laufe jetzt noch mehr Frierend nur noch in Unterwäsche und Hemd.
Bald wird der weg schmaler und führt sogar ein wenig bergab, doch dann stehen wir mitten in einem Dickicht aus verkrüppelten Kiefern, wie sie hier oden überall stehen. Wir folgen einem schmalen Pfad, noch schmaler als der, den wir bergauf genommen hatten, doch bald verliert der sich und die Kiefern nehmen uns alle Sicht. Wir bahnen uns einen eigenen Weg. Meine Hände frieren und die Nadeln stechen hinein. Es blutet ein wenig, doch sind meine Hände zu kalt als das ich es wirklich spüren würde. Hin und wieder peitscht mir ein Ast ins Gesicht oder hinter mir schreit jemand kurz auf. Irgendwann halten wir kurz und versuchen uns an der Karte zu orientieren, doch vergebens. Wir haben uns erstmal verlaufen und versuchen jetzt nach Osten zu gehen. Besser gesagt zu stolpern, denn das ist was wir tun, wir stolpern. Überall ragen Wurzeln aus dem Boden und die nassen Äste und Stämme bieten auch keinen wirklichen Halt.
Wir versuchen bergan zu gehen um vielleicht den Bergkamm wieder zu erreichen. Der verfluchte Regen will immer noch nicht aufhören und wir sind immer noch mitten in den Wolken. Als einer fällt schafft er es mit dem Rucksack kaum aufzustehen ich und mein Bruder müssen ihm hochhelfen. Irgendwann haben wir es aber geschafft: wir sind draussen. Ich sehe mich um. Wir sind genau an der Stelle wo wir vor Stunden den Weg verloren haben und ins Dickicht hinein stolperten. Ich packe den Schlafsack aus und lege mich wie ich bin hinein. Aber das Zittern hört nicht auf. Als der letzte auch aus dem Gestrüpp stolpert stehe ich schnell wieder auf und packe zusammen. Als wir den Pfad zurück in Richtung Kamm laufen merken wir, dass wir den Weg mit einem Wildwechsel vertauscht haben, der in einer Kurve geradeaus weiter geführt hatte. Jetzt folgen wir wieder den Pfählen. Irgendwann hört der Regen auf und es ist nur noch ein nasser dicker Nebel da. Wir stetzen uns und jeder bekommt seine zwei scheiben Brot. Dann geht es weiter.
Wir laufen jetzt steiler bergab immer noch durch dichte Nebel oder Wolken. endlich haben wir dannn auch einen Wald erreicht und sogar die Nebel lösen sich je tiefer wir kommen, kommt bald sogar die Sonne wieder hindurch. Sie steht schon tief, doch sie ist da und spendet sogar Wärme. Langsam erhalten meine Finger wieder ihr Gefühl zurück und ich beginne sogar ein wenig zu trocknen.
Wir erreichen einen Schotterweg und wissen jetzt wieder wo wir sind. Auf dem Weg nach unten verstreuen wir uns immer mehr. Im Tal wachsen Blaubeeren und wir halten immer wieder um ein paar davon zu essen.
Irgendwann sehen wir ein kleines Tannendickicht mit einer Lichtung, die sich zum Feuermachen gut eignet und halten dort. Auch das Dorf ist nicht mehr weit, wir können schon ein paar dächer ausmachen. Wir sammeln Holz und Bauen die Zelte auf. Dannach ist einer der Jüngeren immer noch nicht da, doch von der anderen Seite der Tales hören wir jetzt ein "Horridoh!" Wir antworten: "Hier drüben". Er fragt immer weiter, ruft uns zu ihm zu kommen. Uns ist das zu blöd, wir haben einen harten Tag hinter uns und er hat sich die Tage schon ein paar Mal verlaufen oder kam nicht nach. Wir laufen ihm dennoch etwas entgegen und hoffen, dass er uns jetzt findet.
Eine halbe Stunde später stehen wir im Lager. Ein kleines Freuer brennt. Heute gibt es reis mit Thunfisch und Oliven. Ich habe großen Hunger und schlinge das Essen ohne ein Wort in mich hinein. Bald darauf legen wir uns hin. Der Himmel ist jetzt klar und als die Sonne entgültig untergegangen ist funkeln die Sterne. Ich jedoch bin zu müde und erschöpft, aber auch glücklich und erleichtert den Tag überstanden und etwas warmes im Bauch zu haben, dass ich bald einschlafe ohne ihrer Schönheit einen wirklichen Blick zu würdigen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen